Versuchsanordnung:
Eine junge Frau verbringt einen Abend unter Kommunalpolitikern, deren Freunden, Pressevertretern, Servicekräften. Die meisten davon warten vor Bildschirmen auf zusammengezählte Ergebnisse, andere essen Würstchen, die junge Frau notiert und wartet und isst keine Würstchen. Später überträgt der auf ZDF geschaltete Monitor eine Soap, die interessanteren Ergebnisse kommen aber nicht vom Fernsehen. Sie ist nicht zuhause in dem Haus, wäre es zu gerne, und kommt, weil nur wenige von den vielen, die sie kennt, sie kennen, kaum ins Gespräch. Das macht nichts, es gibt viel zu sehen, Fotografen beim Fotografieren zu fotografieren, es ist später noch Zeit für mehr, für Handkäs vielleicht. Sie ist nervös und nimmt etwas dagegen, nervös zu sein. Sie schreibt. Sie bleibt nervös und wiederholt den Vorgang. Manchmal wechselt sie ein paar Worte mit den wenigen, die sie kennt, mal scherzkekst ein CDU-Abgeordneter mit ihr und anderen rum. Es wirkt, sie wird weicher im Kopf, es wird leichter. Gelegenheit zu stehen, da lernt sie einen Freund von Freunden kennen, handschütteln aber Namen vergessen, er holt ihr ein Glas Apfelwein. Sie ist leicht weich im Kopf und wird sich nicht erinnern, worüber geredet wurde. Er bringt ihr noch ein zweites Glas Apfelwein mit, fasst ihr an den Rücken. Er streichelt sie am Rücken, die Unterhaltung ist nett, er lacht sie an, sie trinkt ihren Wein, er geht ihr an den Po. Sie denkt höchstens hä. Das geht so weiter, die Unterhaltung geht weiter, das Lächeln geht weiter, die junge Frau staunt. Die junge Frau hält ihr Glas fest, fasst ihn nicht an, versteht nicht, wartet ab. Die Freunde verabschieden sich. Die junge Frau und der junge Mann stehen noch zusammen, mitten im Raum, zwischen Kommunalpolitikern, deren Freunden, Pressevertretern, Servicekräften. Er ist nett, sie ist nett wie sie nicht nicht nett ist. Sie ist nicht betrunken, er streichelt an ihr rum, es passt nicht zu ihren Gesprächsthemen, er geht ihr weiter an den Po, sie tut so als sei nichts, er sagt nichts dazu. Sie verabschiedet sich, vielleicht sogar mit einer Umarmung, bringt ihr Glas zurück, taumelt heim, wundert sich.
Folgen:
Der Sofadeckenmorgen hat Ekelähnliches parat, der Mittag führt das fort, der Tag teilt sich in viele Alleineabschnitte, darin Makelfragen, die eine-eine, ergänzt von einer zweiten oder dritten. Der Nachmittag ist abgelenkt und scheinheil, aber es geht nicht weg, es kommt mit dem Abend der Wunsch sich in die Erde zu bohren, liegen zu bleiben. Zwei- oder dreimal geweint, kindisch gezetert über anderes, müde.
Fragen:
Warum machen Menschen sowas mit anderen? Warum schämt man sich, obwohl man nicht „Aggressor“ war? Warum kein Nein?
Vermutung:
Da gibt es entweder schon ein gutes und vertrautes Verhältnis mit einem Menschen, um ihn auf Fehler hinzuweisen zu können, statt das Gemachte einfach hinzunehmen (wie z. B. wenn ein ganz neuer Mensch erzählt, er habe ein Känguruh erschlagen und das Kritischste, was man draufhat, ist, die Bedingungen zu erfragen – „Mit einer Eisenstange? Wirklich? Und dann gehäutet?“), oder es gibt kein Verhältnis. Jemand macht Bullshit im Vorbeigehen und man denkt und sagt „Sack!“. Das ist das Seltenste. Wer aufdringlich wird, macht das eher nicht ZACKBUMMPOW. Lächelt wahrscheinlich vorher, oder man hat ein Gespräch, es gibt eine Beziehung zwischen zwei Menschen und dann verwischt der eine eine Grenze und der andere weiß nicht wie und hä und was. Oder es sind Menschen in der Nähe, deren Meinung einem wichtig ist, oder man will einen Konflikt vermeiden, oder man denkt, es geht von selbst vorbei, oder. Die Killerfrage ist eine andere:
Warum hat er das gemacht? Wie kam er auf die Idee, sowas überhaupt zu tun? Was hat er sich davon versprochen? Was sollte das denn? Wo hat er die Erlaubnis her? Weil es kein Nein gab? fyi:
Kein Nein ist kein gottverdammtes Ja! Nichtstun ist nicht ja, Lächeln ist nicht ja, sowie nagutnaja oder dankefürdenApfelwein nicht Jas sind. Ja ist ja. Man kann ja mal fragen. Man kann den Blödsinn auch lassen. Bittedankegerngeschehen.