Tütensuppe

Nebenfachwechsel, von der Kunst zu Trash-TV. Ich durchblättere. Lokalradio mit Anfängerinnen; sie können die Songs noch nicht einblenden, nicht den Regler unter ihre Stimme schieben. Das könnte man mitschneiden und von Kassette auf Kassette überspielen. Wenn. Dann das Wort Livestream. Live stream. Stream.

Ein Bindestrich schneidet, so:     –

Geht weiter wie gehabt. Hämatome verblassen; die Zeit der bunten Blumen geht vorbei. Häuser riechen nach Holz, Straßenecken angebrannt, Räume vertrüffelt. What else is new? Croutons passen alle auf einen Esslöffel. Die Margerine auf dem Toastbrot auf der Tasse schmilzt. Es geht was um. Der Regen hat meine Umzugskartons aufgeweicht, bevor ich sie füllen konnte. Die Zeit der langen Ärmel bricht an. Es fällt Aschschnee über Brand-en-burg.

Wo ich wohne

Als ich das Fenster öffnete,
schwammen Fische ins Zimmer,
Heringe. Es schien
eben ein Schwarm vorüberzuziehen.
Auch zwischen den Birnbäumen spielten sie.
Die meisten aber
hielten sich noch im Wald,
über den Schonungen und den Kiesgruben.

Sie sind lästig. Lästiger aber sind noch
die Matrosen
(auch höhere Ränge, Steuerleute, Kapitäne),
die vielfach ans offene Fenster kommen
und um Feuer bitten für ihren schlechten Tabak.

Ich will ausziehen.

Günter Eich

Lesung Nr. 3

Haus am Dom, Frankfurt, eine Endnovembernacht. Ist die Abschlusslesung von open writing. Ist  nicht lang her, dass wir alle gemeinsam beim open mike waren. Gelbe Gummistiefel & Geschipower & Familienfotos mit Bert.

Dann die Lesung. Die war wichtig, die war angst, die war hindurchsichtig. Nicht wissen, wer man ist und mit Glitzerfolienkleber im Gesicht gegenarbeiten.  Markus Orths moderiert, sagt was an, das ich fast vergessen hätte. Einmal das Vielschreiben, zum Beispiel auf U-Bahn-Böden. Und dann:  dass es musikalisch sei, mein Schreiben. Ein Kompliment, bei dem man sich verhört. Wir lesen im Sitzen, weiter weißer Tisch davor. Ein Text ist das, an dem viel hängt, nach einem Geständnis, von dem viel abhing. Ist auch der da, an den es ging und ich meine, ich hör, wie er hinten seiner Nachbarin etwas zuflüstert, nach einem bestimmten Satz. Lesen also und behagliche Angst und dann merken, dass man mit dem gleichen Klang lesen kann wie eine, die dafür bezahlt wird. Das ist groß.
Größer ist das: Zwei Freundinnen erzählen mir von ihren Tränen. Die der Text gemacht habe, als ich las. Das ist nun ein Kompliment, das ich gar nicht greifen kann.

[Nachklang: Frei-Brezeln und Frei-Wein und gegenseitiges Readersignieren und Gedichte runterplaudern und erleichtert sein und Geschenke überreichen und dann setzt sich die Frau zu uns, die von Literaturveranstaltung zu Literaturveranstaltung tingelt, um sich in einen Lall-Zustand zu betrinken. War arg tung, der Heimweg.]