Nachtrag, 12v12 – Januar

12 Fotos am 12. Tag eines jeden Monats, 12 mal im Jahr. Mehr davon, wie andere den Januartag verbracht haben, gibt es wie jeden Monat bei Draußen nur Kännchen.Kank aufgewacht, Arbeit abgesagt, liegen geblieben. Müde auch mein Frühstück, ich esse es nicht auf, es guckt unleidlich. Dann versuche ich, mich zu konzentrieren, To-Do-Liste und 750 Worte zu schreiben, nach langer Pause.

Nachmittags geht es mit T., Nachbarin und Kind der Nachbarin zum Kinderliedersingen im Nachbarschaftszentrum. Wir rennen einer Straßenbahn hinterher, T. kann mit bei (Bahnverpass-)Panik nicht rennen, also klemme ich mir T. unter den Arm und renne so los, wir verpassen die Bahn trotzdem. Gehetzt, aber nicht zu spät kommen wir alle an, singen und tanzen, T. taut auf, wünscht sich Lieder, H. kommt nach der Arbeit auch dazu. Zuhause mache ich die Spülmaschine voll, die Spülmaschine macht die Arbeit, wir sind ein gutes Team. Und das Sandmännchen hat das schönste Outfit des Tages.

H. liest T. noch etwas vor, dann gehen beide schlafen. Ich brate mir Maultaschen in Kürbiskernöl mit einer weiteren Spezialzutat, die ich jetzt vergessen habe. Bevor ich mich wieder in den Schlaf huste, bewundere ich noch den Turm aus Printmedien, den ich heute im Briefkasten hatte. Alles geschenkt und alles auch gewünscht. (Merci.)

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12von12 – April

12 Fotos am 12. Tag eines jeden Monats, 12 mal im Jahr. Mehr davon, wie andere den Tag verbracht haben, gibt es wie jeden Monat bei Draußen nur Kännchen.

Mein Tag beginnt mit einer Extraportion Eisen. Ich muss mein Depot auffüllen, um einer Hausgeburt keine Steine in den Weg zu legen; ab einem Hb-Wert von 10,4 und weniger sagen Krankenkassen wohl nö. Dann frage ich mich, ob ich vielleicht meinen gar nicht so schlechen Eisenwert vom Beginn der Schwangerschaft im Laufe der Monate erbrochen habe und erbreche mich, während T. neben mir im Bad steht und ungeduldig darum bittet, dass ich Frühstück mache.  T. bekommt Toast, iss ihn auf dem Sofa in Gesellschaft des Kinderkanals, ehe ich mich mit einem Holundersirupeiswürfel im Glas wieder ins Bett lege. Dazwischen noch Zeit für ein blasses Selfie vor der Klor. #homeiswherethefartis

H. kommt aus dem Morgensgottesdienst zurück (ohai Osterwoche) und macht T.  für den Kindergaren fertig, während ich schlafe. Nachmittags bin ich rechtzeitig wieder wach, um ein Päckchen aus Dänemark entgegenzunehmen und mache mich dann sehr träge auf den Weg in den Keller. Ich grabe einen Weg zwischen die Kisten, damit er wieder benutzbar ist und fische alle Kinderkleidungskisten aus dem Haufen, damit ich endlich aussortieren kann. Das alles nicht, ohne dass der Kistenberg neben mir umfällt. Und so stolz ich darauf bin, im 8. Monat noch Kellerkisten herumschleppen zu können, ebenso aus der Puste bin ich und fluche, dass ich mir den Keller nicht schon vor Monatenvorgenommen habe. H. komm von der Arbeit wieder und holt T. aus dem Kindergarten ab, wir tragen ein bisschen was nach oben, dann gib es Tomatensuppe. T will beim Essen das Liederbuch haben, um die Vogelhochzeit zu singen, ich ziehe eine leiernde Kassette aus dem Schrank, lasse Rolf Zuckowski die Arbeit machen und rolle ein bisschen mit den Augen ob der Heteronormativität des Textes.

Dann machen wir uns zu dritt auf den Weg zum Geburtsvorbereitungskurs – es ist Partner_innenabend und wird ums Wochenbett gehen. Ich füttere T. mit Gummitieren, während wir zu spät dran sind. Während des Kurses klettert und kuschelt T. zwischen H. und mir hin und her, wird irgendwann so unruhig, dass ich mich mit T. in die Küche der Hebammenpraxis verziehe. Dort naschen wir Salzgebäck und Schokolade, ehe ich das Ipad herrichte, Peppa Wutz die Kinderbereuung übernehmen lasse und wieder zurück in den Kursraum gehe. Das funktioniert ganz gut, bis ein „böses Video“ kommt (Werbung, im Standbild erkenne ich nur junge Menschen mit bunten Sturmhauben) und T. beim Versuch mit Ipad zu mir zu rennen, das Salzgebäck umwirft. Wir fegen und beteuern wie uncool Werbung ist. Zuhause angekommen fällt T. schon schlafend ins Bett. Ich kann noch nicht schlafen und spinne Wolle für eine Babydecke (Blue Faced Leicester mit glänzendem Nylon, so soft & shiny), während ich Podcasts höre. Den Tag lasse ich ausklingen, wie er angefangen hat, mit einer Portion Eisen.

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Herzliste / Call to action

Frühlingsvorsätze, so könnte man das nennen. Eine Liste mit 111 Dingen, die ich dieses Jahr machen will. Ob von Frühling bis Jahresende oder von Frühling bis Frühling, das weiß ich nicht so genau. Oder ob ich alles schaffen kann. Was ich weiß:

Ich liebe Listen und ihre Versprechen. Ich streiche gerne durch, schreibe übriggebliebene Items von alten Listen zu sauberen neuen Listen zusammen, das alte Papier in den Müll. Ich mache gerne Vorsätze. Aber lieber nicht öffentlich (und dann nur die schönen, unpeinlichen Dinge). Ich bin mir schnell peinlich. Jetzt trotzdem die Dinge aufschreiben, die mir zu gewagt vorkommen (Schreiben, Geld), oder zu privatistisch (Handarbeit, Baby). Und hoffen, dass mich die Öffentlichkeit der Liste dazu anhält, sie durchstreichen zu können.

  1. Kurzgeschichte schreiben
  2. Roman planen
  3. 52 Gedichte schreiben
  4. konsistent täglich 750 Worte schreiben
  5. Texte zu Wettbewerben und Literaturzeitschriften einsenden
  6. wöchentlich bloggen
  7. ein Zine machen
  8. mich ein Wochenende nur zum Schreiben zurückziehen
  9. herausfinden, wie freiberuflich schreiben funktioniert
  10. zeigen, was und wo ich schreibe/veröffentlicht habe
  11. mehr in Magazinen veröffentlichen
  12. fürs Schreiben bezahlt werden
  13. 12 mal für kleinerdrei schreiben
  14. einen Buchvertrag bekommen

  1. 10x Fotoautomatenfotos machen
  2. mehr analog fotografieren
  3. eine Filmrolle im Monat entwickeln
  4. Fotos digital organisieren und drucken
  5. Fotoalben anlegen, Fotos einsortieren
  6. Papierfotos einscannen
  7. Fotos an der Wand aufhängen
  8. neue Lomo-Kamera und Filme kaufen
  9. Hochzeitsfotobuch machen

  1. mehr auf Facebook und Twitter schreiben
  2. eine schöne Website bauen
  3. einen Fotoblog anlegen

  1. Haare schneiden
  2. Haare färben
  3. massiert werden
  4. ein Lush-Badebombenbad jeden Monat
  5. zahnärztliche Vorsorge wahrnehmen (nooo)
  6. ein Tattoo für mich entwerfen
  7. Macarons essen
  8. wieder Rollschuh fahren

  1. Wien besuchen
  2. Hamburg besuchen
  3. Stockholm besuchen
  4. Berlin besuchen
  5. kleinercamp
  6. Urlaub mit Nomi & Co machen
  7. das Meer sehen
  8. die Berge sehen 

  1. Ts Kinderzimmer neu gestalten
  2. Wohnzimmer schön machen
  3. im Frühling hardcore Zeug aussortieren (aussortiertes Zeug spenden)
  4. den Keller aufräumen
  5. Regentropfenclips machen
  6. meinen Raum fertig machen, mit Lampen und Bildern
  7. eine Schaukel im Wohnzimmer aufhängen

  1. Gemüse in einem Garten großziehen
  2. die Jahreszeiten(wechsel) festlich machen
  3. sonntags Postkarten in den Briefkasten legen
  4. Geburtstagskalender anlegen
  5. Geburtstagsgrüße per Post verschicken
  6. besondere Dates mit T machen, feste One-on-One-Time einrichten
  7. Geburtstagsfragenbuch für T machen
  8. Ts Babybuch ausfüllen
  9. Rezeptbuch von Ella erweitern
  10. Trauerbuch durcharbeiten
  11. alle städtischen Museen besuchen
  12. Hamilton sehen (oder es planen)
  13. Weihnachten bei uns zu Hause planen
  14. Madmen noch mal sehen und Sekundärtexte zu jeder Folge lesen
  15. Karaoke machen
  16. Schmuck bestellen aus Asche, Brustmilch-, Haar- und Laub vom Sternschnuppenbaum
  17. #Freundinnenadventskalender rechtzeitig fertig haben
  18. mir selbst jeden Monat ein Buch kaufen
  19. Harry Potter im Herbst neu lesen
  20. eine Jacke mit Pins und Patches versehen
  21. wieder bei Weihnachtsmusik in der B-Ebene mitmachen

  1. Bausparvertragsmöglichkeiten auschecken
  2. Zeug auf einem Flohmarkt verkaufen
  3. Konto wechseln
  4. Budgetprogramm ausprobieren
  5. jeden Monat einen Fundraiser oder eine Spendenaktion unterstützen
  6. Texte, die ich schreibe, auch in Rechnung stellen
  7. Geld sparen für Doula-Kurs

  1. meine Unidokumente in Ordnung bekommen
  2. anfangen rumänisch zu lernen
  3. Zeit finden, um Geige zu üben
  4. offiziell Gender Studies studieren, endlich

  1. eine Waldorf(baby)puppe nähen
  2. ein Puppenschlamperle nähen
  3. Strickjacke stricken
  4. vier Jahreszeitendecken stricken (1, 2, 3, 4)
  5. Rührdingsi aus Christbaumspitze schnitzen
  6. einen kleinen Schrein zum Aufhängen bauen
  7. Weihnachtsgardinen nähen
  8. Girlande aus Stoffresten nähen
  9. Solarfärbung machen
  10. Teile stricken für Patch-Blanket
  11. goldene Nüsse füllen
  12. Nachthimmeltuch mit im Dunkeln leuchtenden Perlen stricken
  13. im November einen Pulli stricken
  14. zwei verschiedengroße Pippi-Pullis stricken
  15. einen Uterus aus handgesponnener Wolle stricken
  16. Nursing Pads aus handgesponnener lanolinreicher Wolle stricken
  17. Entenfüße stricken

  1. Die Geburt planen wie ein Fest, mit Kuchen, Girlanden und Musik
  2. eine Hausgeburt mit Pool haben
  3. tägliche Selfies mit Baby
  4. alle Babyklamotten aussortieren
  5. Krafttraining für Rücken und Oberschenkel machen
  6. Beckenboden trainieren
  7. Essen für nach der Geburt vorbereiten
  8. Wolle für Babydecke spinnen und färben
  9. die Decke auch stricken
  10. Wollmeise-Strampler stricken
  11. Babytagebuch schreiben
  12. das Baby rumtragen
  13. einen Babyzeichensprache-Kurs machen

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Höhlen

www.istnicoleschwanger.de

Ich warte auf ein kleines Frühsommerkind. Ich trug es lang als Geheimnis mit mir herum. Teils wegen eines Arbeitsvertrags, der erst lächerliche zwei Monate, dann gar nicht mehr verlängert wurde. Mein Versuch, den Bauch einzuziehen, der auch unschwanger eine Rampensau ist, vor Vertragsablauf gescheitert. Ein Geheimnis auch, weil ich Schwangerschaften lieber in Höhlen verbringe.

Das ist mein Dilemma. Ich wünsche mir, zelebrieren zu können, dass da jemand unterwegs ist, mir mit Vorfreude schöner machen, was da kommt, alles auskosten, was nur vergeht. Zur perfekten Jahreszeit, um meinen Geburtstag herum. Hundert Jahre nach der Geburt meiner liebsten Urgroßmutter. 2017. Ein erfüllter Wunsch. Ein Fest.

Aber, aber. Soviel ich alles teilen will, so unbehaglich find‘ ich die Folgen. Als es nicht mehr zu verbergen war, ich fast dachte: „endlich“, sprechen mich Nachbarinnen darauf an, wägen ab, ob mein Bauch für den errechneten Geburtstermin groß oder eher nicht groß sei, während ich daneben stehe. Die Kommentare zu meinem Körper, um die ich nie bat. Die Fragen nach dem Geschlecht, auf die ich so dicht antworten könnte, aber dann bin ich zu müde für mehr als ein Achselzucken. Wie wenig ich es mag, primär als Mutter gesehen zu werden, und dann will ich lieber gar nicht gesehen werden und mich in einen Kobel zurückziehen. Klassiker: Scham für Sichtbarkeit, Verwundbarkeit. Can’t have it all, can’t deny it all.

Und jetzt, sieben Monate Winterschlaf später, mal aus der Höhle lunzen. Ich will diese Schwangerschaft, die eine letzte sein könnte, nicht einfach so verstrichen wissen. An sich ist sie so nice. Ich erbreche mich nur beinah täglich, bin vergleichsweise ausgeglichen, gönne mir alles, was ich mir wünsche. Und habe Hebammenbetreuung für eine Hausgeburt, endlich. Was ich mir wünsche, ist nicht nur ein lebendes Geschwisterkind für das Kind, das ich bereits großziehe, ich will auch in der Hand behalten, wie dieses neue Kind kommt. Mir den Weg dahin zur entspannten Party machen.

Also raus mit dem monochromen Konfetti. Ich habe Mutterkuchen mitgebracht.

 

 

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