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Es rumpelt um das Jahr herum. Böller und Bauchweh, aber beides nicht von Bestand. Vom Versuch, einen generischen Jahresverabschiedungstext zu schreiben, melancholisch, gutmütig, mit müde winkender Hand, aber das Jahr passt nicht zwischen die Finger. Der Angelpunkt die US-Wahl Ende letzten Jahres, ein Grausen weit ins neue Jahr hinein. Mit einer Erkältung von mehr als zwei Monaten das zweite Trimester verschwenden. Und dann zur Jahresmitte eine Geburt, ein Baby, beides perfekt, und ich so überrascht, wie weich und zart das alles. Produktiv wollte ich sein, und habe alle Energie in die Produktion eines kleinen Menschen gegeben. Zweite Jahreshälfte politisch nicht minder arg als alles davor, aber mit Baby an der Brust immer dieser Gedanke: Gut sein zu Kindern, sie mit Liebe vollknallen, dass es ihnen an nichts fehlt, dass sie nur Gutes haben, das sie austeilen können. Die Welt verbessern, one human at a time. Das wäre schön. Das wünsch ich mir auch für das Jahr ab morgen.

Für die Silvesternacht habe ich, anders als für Heiligabend, kein Protokoll. Keine Party, keine Pläne. Ein Kind, das von abends bis nachts Mittagsschlaf gemacht hat und sich nicht mehr fürchtet. Älter werden und sich nicht mehr fürchten, Jahr für Jahr, Mittagsschläfe nicht vergessen. Mehr Stühle als an einen Tisch passen. (Lieber auf dem Sofa sitzen.) Wunderkerze, Partyhut. Mehr Mut.

See you on the other slide.

8. + 9.12.

An einem Tag, an dem man keine Zeit hat, die eigenen Adventskalendertürchen oder Paketchen zu öffnen, kann man man keinen Adventskalender schreiben.

So nachträglich: ich habe das unmögliche geschafft und an einem Tag drei sich überschneidende Termine unterbebracht. Allein die Vorstellung davon kam mir vor wie Fiktion. Uni, Gericht, Lohnarbeit. Von pünktlich morgens bis nach dem Sandmännchen. Ins Gericht, einen Tag vor dem Gerichtstermin eine weitere Ladung für eine frühere Uhrzeit erhalten, und als ich da bin, für eine nachfolgende Verhandlung länger bleiben dürfen. Abstecher zum Partner auf die Lohnarbeit, um dort zu stillen. Zu meiner eigenen Lohnarbeit. Zur Uni.

Letzteres eine Bangepartie, mit Partyhütchen. Wie ich nicht in das Seminar kam, erst schrieb, dass ich voll gerne will, dann schrieb, dass ich voll kluk sei, dann bitte-bitte, weil ich mit Baby die Uni SO vermisse. Als ich da war, hat allein die Vorbesprechung so große Freude gemacht, ich hätte Konfetti werfen können. Ich habe einen Platz bekommen und ich werde ihn benutzen.

Am Abend Nachhausekommen dann wie ein Marathonzieleinlauf, dei dem ich mir als einzige selbst zujuble.

7.12.

Kindergartenweihnachtsfeier. Das Kind macht mit einem Percussionsinstrument Musik bei einem Theaterstück und wir warten auf den Einlass wie bei einem Boybandkonzert. Alle Handys gezückt, Feuerzeuge braucht es nicht mal mehr für Kerzen. Das Schönste ist, wie, als alle schauspielenden Kinder sich zum Applaus hinstellen, unser Kind als einziges musikmachendes Kind aufsteht, sich mit Schwung verbeugt und wieder hinsetzt. Ich mache Fotos mit der Spiegelreflexkamera und habe keine Speicherkarte drin.

Vor einem Jahr war das Kind eine Schneeflocke, die zusammen mit anderen Schneeflockenkindern zum Gesang von „Schneeflöckchen, Weißröckchen“ tanzen sollte. Es blieb als einziges Kind sitzen, traute sich nicht, und ich dachte mit von Liebe schwerem Herzen: „MEIN Kind!“ Mein großes, mutiges, leichtes Kind. Was ein Jahr macht.

Andere Kinder beim Spielen beobachten. Kinder beim Streiten beobachten. Wie sie Argumente austauschen, während sie sich an der Wand reiben, während sie gleichzeitig am Daumen lutschen. An irgendetwas muss man sich ja festhalten.

Es ist in Ordnung nicht mehr drei vier fünf sechs zu sein. Niemand bestimmt mehr in meinem Beisein, ob ich mitspielen darf oder nicht. Es ist okay, irgendwann selbst nicht mehr mitspielen zu wollen, Spielstopp, und am Rand eine Pause zu machen. Zu wissen, was man mag und braucht, es super duper legitim finden.

Eine Pause brauche ich nach der Feier, viele große Menschen in kleinen Räumen, auf kleinen Stühlen, ich möchte lieber ein kleiner Mensch alleine in einem großen Raum sein und bekomme das geschenkt, als wir wieder zuhause sind. Kopf ins Kissen, Schlafzimmer nur für mich.

Da denke ich an gegen einen Kummer. Mache mir Sorgen um ein Uni-Seminar, an dem ich gerne teilnehmen würde. Es kommt alles dazwischen und ich habe noch nicht mal einen Platz sicher. Niemand bestimmt mehr in meinem Beisein, ob ich mitspielen darf? It‘s some subtle shit. Ich möchte gerne mitmachen, aber ich weiß nicht nur nicht, ob ich darf, oder was ich tun muss, um zu dürfen, sondern auch nicht, ob ich es schaffe. Oder mit Aufwand schaffen will.

Morgen wird also anstrengend mit Lohnarbeit, Gerichtstermin und Uni (read as: Platz im Blockseminar erbetteln), wird anstrengend mit Handpumpe statt Baby von 9 bis 19 Uhr. So viele Sachen auf einmal, sie auszuführen kommt mir vor wie Fiktion. Und dann flattert abends eine Ladung vom Gericht rein, weil spontan ein Termin vor den Termin gelegt wurde. Scherzkekse.

Ich liege zum Schlafen im Bett, mir klebt Schokolade im Auschnitt. Ich liege zum Schlafen im Bett und werde es wegen allem jetzt wirklich tun. Schlafen.

 

 

6.12.

Mit dem Daumen der linken Hand tippen. Das kleine Kind liegt neben mir im Bett und muss noch austrinken. Die Lider so zäh. „Lieder sind meine allerliebsten Lieblingslieder! Wirklich!“ sagte das große Kind heute mehrmals hintereinander.

Morgens so müde gewesen, dass ich fast darauf verzichtet hätte, zuzugucken wie es nach den Stiefeln schaut. Große Zufriedenheit allenthalben. Wenn die Nachbarin auf dem Weg zum Klo rechtzeitig an ihrem Türspion vorbeigekommen wäre, hätte sie ein schönes Familienportrait von uns vor der Wohnungstür gehabt, wie wir mit den Füßen in Nüssen und Nadelbaumnadeln stehen, ich mit klebenden Augen und nur mit Unterhose, das große Kind, das euphorisch versucht, all seine Erdbeermarmeladen-, Honig- und Erdbeereninhonig-Gläser auf einmal zu halten, ein Vater, der wacher hinterherjongliert und ein Baby, das noch nichts weiß von seinem Glück im Winterschühchen. Ich war zu müde, um etwas zu fühlen, aber alle meine Wünsche gingen in Erfüllung.

Den Rest des Tages wollte ich im Bett verschlafen, das kleine Kind zu wach dafür und ich in dünnen Träumen darüber, wie ich Dinge tue in Schlafanzügen, wie zum Beispiel unter Bettdecken in einem schicken schwarzen Auto eines Kommunalpolitikers herumchauffiert werden.

Das große Kindergartenkind und ich, wir versuchen uns an Bratäpfeln, so sind die gesunden Alibi-Äpfel aus den Nikolaustüten auch zu was gut. Ich hänge mir dafür das kleine Kind in der Trage auf den Rücken, es klagt, ich hole es raus und stille und dann schläft es so lang, dass wir die Bratäpfel fertig bekommen, zusammen die Spülmaschine aus- und einräumen und zum Sandmännchen bei Adventskerzenlicht die Äpfel essen können. Eine Ein-Kind-Idylle, ich habe die Hände frei und werfe sie in die Luft.

Zur Nacht im Bett The Snowman. Ich weine fast gar nicht.

5.12.

Betriebsferien, oder keine Ferien, ist ja Betrieb. Hochsaison für den Nicolelaus, sozusagen. Deswegen will ich jetzt, statt zu schreiben, lieber die Augen zumachen und schlafen, bis morgen, bis zur Kindergartenabholzeit, am liebsten noch länger. Als H. schlafen gehen wollte, wurde das große Kind wach, auf eine Weise als sei es auf zwei linken Erbsen aufgestanden. Ich derweil stillend im Wohnzimmer, Daumen halten für das Team Einschlafen. Das Baby schläft ein. Alle schlafen. Ich lege das Baby ab, das Baby wacht auf. Das spielen wir ein paar Mal durch. Alle Stiefelzutaten bereit, aber ich komm nicht ran. Irgendwann doch, das ist dann eine feine Sache von keiner Minute. Letztes Jahr habe ich meinen Stiefel selbst gefüllt, weil ich dachte, sieht komisch aus, wenn alle was kriegen außer ich. War milde deprimierend. Dieses Jahr habe ich mir dafür immerhin den besten Schokonikolaus ausgesucht – und ihn auf meinen bereits bis oben gefüllten Schuh gestellt.

Jetzt ist Nikolahaus-Feierabend da. Oder ~morgen. Von mir jedenfalls: Gute Nacht!

4.12.

Barbaratag. Und Nicole-verschläft-solange-im-Bett-bis-das-Baby-sich-nicht-mehr-stillen-lässt-weil-es-keinen-Hunger-sondern-eine-übergelaufene-Windel-hat-und-stellt-beim-Wickeln-fest-dass-sie-den-Rückbildungskurs-verpasst-hat-Tag. Also auch Im-Bett-liege-Tag. Was blöd ist, wenn ich auf die Toilette möchte, oder gegen 15 Uhr mal ein Toastbrot frühstücken, aber sehr schön, wenn ich mit Kissen und Decken die perfekte Position gefunden habe. Im-Bett-liege-Tag heißt eben auch, ich bin das Bett des Babys und es liegt auf mir drauf.

Barbaratag. Mit den großen Kind im Dunkeln zum Supermarkt im Nordend fahren, wo Kirschbäume stehen, die größer geworden sind seitdem das Kind klein war, ich habe eine Haushaltsschere mitgenommen, aber das ist Quatsch, ich komm ja noch nicht mal mehr mit den Fingerspitzen bis zu den  Ästen. Einen erwische ich und kann ihn runterziehen, aber mit der Schere erwürge ich den Ast nur. Stattdessen breche ich einige der von ihm abgehenden Zweige ab. Das ist nicht professionell, aber geht. Seit 5 Jahren versuche ich das mit den Zweigen, aber nie blühten sie zum 24., oder überhaupt irgendwann. Ich halte mich jetzt an ein genaueres Rezept: Abschneiden, über Nacht in der Kälte (auf dem Balkon) lassen, ein paar Stunden in warmes Wasser (in der Badewanne) legen, erst dann in die Vase. (Mit Wasser oder ohne, ist noch unklar.)

Barbareitag. Das große Kind beginnt und beendet den Tag damit zu schreien und zu kreischen, verzweifelt. Was heute morgen war, habe ich verpasst. Heute abend sagte ich: „Bitte heb das Popcorn auf, das du auf den Boden geworfen hast, ich möchte nicht, dass jemand reintritt und das dann an den Socken klebt.“ Like, wortwörtlich. Als es ankündigte, auf das Popcorn treten zu wollen, sagte ich „Nein, bitte nicht“. Als es sich aufmachte, das trotzdem zu tun, sagte ich sehr deutlich nein, und das Kind, erschrocken, fing an zu weinen, sagte etwas in der Art von „Willst du dass ich weine/soll ich weinen?“, und los ging die Fahrt. Jeder Versuch, zu trösten, zu erfragen, was los, Gefühle zu verbalisieren, idk, wie ein Klick auf Kummer aktualisieren. Also daneben sitzen, ausweinen lassen und ablenken, wenn die Tränen alle sind. Ich weiß nicht weiter, aber kenns ganz gut. Das sich in einen Schmerz reinweinen, vergraben, Blickkontakt ausweichen, nicht rauskommen. Naja. Schöner Adventskalender, das hier.

Barbaratag, fast Nikolaustag. Vor der Wohnungstür steht ein kitschig schöner Nikolaus von meiner Omi, einen halben Meter ist der groß, mit Sack und Stock, Samtmantel und runzligem Plastikgesicht. Wenn man sich was zum Nikolaus wünscht, kann mans ihm sagen. Allein traut sich das große Kind nicht zu ihm, und so gehen wir zu viert, Hand in Hand. Der Vater der Kinder wünscht sich für das Baby, das noch nicht sprechen kann, einen ersten Brei. Dann traut sich das große Kind, es will Erdbeeren und Honig. Nicht klimaneutral, aber kriegen wir hin.

Was wir uns wünschen, vom Nikolaus, fragt es. Ich grübele. Jetzt, schnell, eine erfüllbare Idee! Bücher, denke ich, Bücher sind immer gut, ich habe da ja auch eine lange Amazon-Wunschliste, aber das bekomme ich nicht schnell genug für den richtigen Adressaten erklärt. „Safran!“ sage ich, und finde mich klug, das ist was besonderes, passt in Stiefel und käme am 6.12. rechtzeitig zu Lucia. „Und du, Papa? Was wünscht du dir vom Nikolaus?“ Der überlegt nicht lang und ich denke, ja, gib mir einen Tipp, mir gehen die Stiefel-Ideen aus, ich will mal was besonderes reinmachen. Dann sagt er etwas, was auch meine cis Mutter sich auf Nachfrage immer gewünscht hat. Etwas, woraufhin ich damals regelmäßig „oar, Mama“-mäßig mit den Augen rollte. Er sagt: „Ich wünsche mir liebe und brave Kinder.“ Na dann, work your magic, Nikolaus.

3.12.

Rotkribbelige Lippen. Eine Nase, die da juckt, wo wohl ein Tropfen festhängt. Lider, die müde pieksen. Wenn ich mir mit einem Papiertaschentuch die Nase putze, bringe ich Staub ins Spiel, es hilft nicht. Eine Unzufriedenheit, die dem Tag nicht gerecht wird.

Ich finde nicht ins Bett, obwohl ich bereits darin liege. Weil ich zu lange gewartet habe und „bereits“ ein Euphemismus ist. Weil ich auf dem Weg von Sofa zu Bett das schlafende Baby geweckt habe, das sich zuvor auf meiner Brust in den Schlaf gehustet hatte. An meiner Haut zieht es und ich finde nicht zur Ruhe.

Geweckt wurde ich heute früh vom großen Kind, als es rief: „Es schneit, Mama, es schneit!“ Es schneite einfach den ganzen Tag weiter. Er blieb liegen, der Schnee, ganz anders als ich. Er liegt noch, teils stadtmatschig, er liegt und macht die Nacht heller und weich. Ich bin in Denial, obwohl ich eine elektronische Erinnerung las, dass es gestern vor einem Jahr auch geschneit hatte. Habe nicht damit gerechnet, wollte mich nicht trauen, es zu erwarten. Schnee, vor Weihnachten. Im warmen Talkessel. Im Klimawandel, keine Ahnung. Und trotzdem Glück. Traue mich nun nicht, zu erwarten, dass das länger hält, dafür den Tag über alles aufgesaugt. Schnee gegessen. Geguckt. Gejuchzt. Rote Finger, Blitze auf den Wangen. Es sieht einfach alles so schön aus, so. Von draußen, mit beißender Luft, von drinnen sowohl vom Sofa aus, eingemümmelt zur Sendung mit der Maus, oder bei der Lohnarbeit, wo es meine Blicke beiläufig nach draußen zieht, ich Flocken wehen sehe. Alles still. Kokon. Es ist magisch, ich weiß es nicht anders zu sagen. Wie im Bilderbuch. Wie Fiktion eigentlich. Aber ganz echt, kalt, nass, schmackhaft.

Die warme Hand des Babys kitzelt mein Kinn. Es schläft schon wieder und mich juckt es nur noch zwischen zwei Zehen. Ich werde mich langmachen, um die Nachttischlampe auszuschalten, und dann werde ich einfach die Augen schließen. Sie ausruhen lassen. Sie kühlen, in Gedanken, mit einer Handvoll Schnee. Allein das Wort. Schneeeee. Es ist so schön und ich dankbar.

 

2.12.

Ein paar Sachen vorverlegt. Die Adventskranzkerze wird jetzt am Samstagabend vor dem entsprechenden Sonntag angezündet, zur Vesper sozusagen, also, zur geistlichen, nicht zur kulinarischen. Dann ist der feierliche Akt erledigt und zum Sonntagsfrühstück kann sie schon brennen.

Dem großen Kind mein Lieblingsadventslied vorgesungen, so oft, dass es eine Chance hat, es auswendig zu lernen, vor dem Anlass des Kerzenanzündens selbst. Wir sagen euch an, den lieben Advent. Sehet, die erste Kerze brennt.

Mit der ersten Adventskerze das erste Mal Streichholzanzünden geübt. Auspusten ist leichter.

Freut euch, ihr Kinder, freuet euch sehr. Schon ist naaahe der Herr. Während ich singe, frage ich mich, wann das Kind hinterfragt, wer eigentlich dieser „Herr“ sein soll. Da fragt der Vater des Kindes, weißt du eigentlich, wer mit Herr gemeint ist? Und erklärt selbst: Jesus, Geburtstag, Christkind, Herr. Christ. Kind. Naja.

Als ich in der Grundschule war, bekamen wir den Liedtext auf einem kopierten Zettel, unsere Grundschullehrerin hatte darauf bei der Zeile „Freut euch,  ihr Christen“ das Worten „Christen“ durchgestrichen und handschriftlich durch das Wort „Kinder“ ersetzt. Kinder waren wir alle, Christen die wenigsten, auch ich nicht. Ich singe das Lied nur noch so.

Vorverlegt auch die Adventskalendergeschichte, am Abend des zweiten lese ich den dritten Dezember vor, dann kann ich mich auf den nächsten Tag einstimmen, und wir schaffen es vielleicht, die Geschichte vom 24. Dezember auch mal zu lesen.

Das Buch ist das gleiche, das ich als Kind schon vorgelesen bekam, und afaik meine Mutter Andrea auch schon. Die Eltern heißen darin nur „Mutter“ und „Vater“ und so ist auch der Rest. Ich les es in all seiner Altbackenheit vor, gendere aus Gewohnheit allumfassender on the go, aber lass alles andere; mit jedem alten Wort klingt mir auch Andreas Stimme im Ohr.

 

1.12.

Also bin ich müde. Das liegt nicht an der Uhrzeit, die kann ja nichts dafür. Es liegt an irritierten Augenliedern und dem Gewicht auf meiner Brust, der Trägheit, die auf meinen Armen schnorchelt. Ein Baby, so erkältet, dass es zu heiser zum Husten ist. Das macht macht mich sicher nicht mehr müde als sonst, es zwingt mich immerhin zu sitzen, ganz okay eigentlich, dieses Sitzen, besonders wenn man lohnarbeitend sechs Stunden am Stück steht, aber wenn man dann noch was machen will, eigentlich, irgendetwas, und diese Jahreszeit ist ein Blinklicht an Machirgendwas-Aufforderungen, dann hilft dieses Sitzen nicht immer. Ich tippe jetzt, weil jemand anderes wickelt. Was ich statt tippen auch machen könnte? Weihnachtsdeko aussortieren und in der Wohnung anbringen. Pfefferkuchenteig anrühren, damit ich morgen ohne Mühe einen Teigklumpen aus dem Kühlschrank holen kann, um Kram auszustechen, mit dem großen Kind T., das vor Juni nur „Kind“ war, ohne qualifier. Das muss morgen sein, weil sowas in der Adventskalendergeschichte von heute vorkam. Muss, muss, Pfeffernuss. Ich sitze fest und kann kaum kontrollieren, ob überhaupt alle Zutaten zuhaus sind. Meine Zähne haben sich mit Fell zugedeckt, so ein Müde. Arm vor dem Rest eingeschlafen. Meine Augen sind nicht geschafft vom tun. Mer vom Nachdenken über die vielen kleinen Quatsch-To-Dos im Dezember. Jeden Tag ein Fensterbild verkleben, in Treppenhaus und Wohnzimmer. Jeden Tag Geschichten. Basteln. Nahrungsaufnahme. Verlosungslisten wegfrühstücken. Diesdasananas, jeden Tag. Ich schmücke nicht, will lieber schlafen. Ich tippe moch, aber fast zu spät. Ab ein Uhr nachts ist doch die Uhrzeit schuld.