„Wenn ich Sie kurz bei Ihren Gesprächen unterbrechen darf“ kündigt Semmelroth seine Eröffnungsrede an. Hält sie so, als handle es sich um einen Beitrag für die Aktuelle Stunde im Römer, mit vorher nur skizziertem Text. Keine Zwischenrufe. Eigentlich sicheres Terrain.

Markus Feldenkirchen erkenne ich aus dem Frühstücksfernsehen wieder. Da wunderte ich mich, dass er nicht Teil des Debütantenabends sei, das ist doch auch ein Debüt, ein richtiger Roman. Wie es gekommen sei, dass er ins Cornflakesmilieu gerutscht sei, da, wo die Uhrzeit in einer Sonne angezeigt wird, statt auf einem Literaturkarusselpferd sitzen zu dürfen. Ich muss aufmerksamer lesen. Tut er auch. Also, seinen Text aufmerksam lesen. Verstellt seine Stimme für die wörtliche Rede der Mutter des Protagonisten so, dass man sich ihn gerne als Vorleser von Schnüpperle und Räuber Hotzenplotz denkt. „Eierbär.“ Und warum sitzt eigentich Sabrina Janesch bei dieser Veranstaltung auf keinem Pferd?
Wie anders liest Vanessa F. VFogel**, obwohl auch sie geübt hat. Spricht mit gespitzten Händen, aus denen ihr die Präpositionen rutschen. Muttersprache ist nicht Muttersprache. Ihre Fangruppe sieht gebildet aus und stifternah. Manschettenknöpfe. „Ich mach es mir. Ich hab mich entschieden, es mir zu machen.“ Sätze und Versprecher aus dem Kontext gerupft.
Marcel Maas trinkt Bier, trägt Lederjacke und zieht eine Augenbraue hoch. „Ist alles Konzept.“ „Was ist das Konzept?“ „Bier, Lederjacke, sieht man ja.“ Gesprächsführung, die erst auffällt, wenn die Fragen beknackt sind. „In Ihrer Generation ist es so, dass Musik, dass Blogs, das Internet Ausdrucksformen sind. Warum ist Ihr Text als Buch erschienen?“ Bitte? Besser: Wann gibt’s den Text als mp3? Kommt runtergerockt so hundertmal besser als leise gelesen. So, wie er spricht. „Dolbysurroundschuldgefühle.“ Und „tagkrank“.
Der gutaussehende Arzt Dr. Winter, bei dem die Damen überlegen, welchem amerikanischen Schauspieler er ähnlich sähe und die zuckersüße (whoa, Gesten!) Anna Elisabeth Mayer, bei der ich rätsele, welcher amerikanischen Schauspielerin sie ähnlich sieht. Irgendwas zwischen Katie Holmes und Wieheißtdienochgleich*. Der Beamer malt ihr Gesicht pink, mit gelbem Streifen schräg über die Augen; sie steht im Logo.
Kleinstadtghettoballade ist ein Titel, der was verspricht. Das Gespräch füttert mein Interesse. Und dann liest Oliver Becker und ich nehme alles zurück. Steht ein Mann auf einer Zugbrücke (Zugbrücke, haha. Nein.) und denkt „Die Schienen, wo mochten sie enden?“ „Ich schließe die Augen und denke an nichts.“ „Ich war nicht wie sie“. Das reicht nicht aus. „Sie trug einen ihrer beiden Pullover“ ist ein starker Satz. Dann zuviele Sätze drumrum, die das floskelig beschreiben. Zuviel des Nichtguten reicht immer noch nicht aus.
Für Inger-Maria Mahlke ist das Fernsehen da. Der Haarschnitt konserviert, so gelingt die Wiedererkennung, wo sie nie in Zweifel zu ziehen gewesen wäre. Ein paar Reihen vor mir eine grauhaarige Frau mit rosa Schal, sie trinkt Bier aus Bügelverschlussflasche und stellt es neben ihrem Journal Frankfurt auf dem Stuhl links von ihr ab. „Potulski“ ist kein gutes Mikrofonwort. „Polnisch“ auch nicht. Es ist mittlerweile so leer, man könnte in den ersten Reihen sitzen. Es täte der Konzentration sicher besser.
Frédéric Valin, wie er an den Verbrecherverlag gekommen sei: „Ich entmystifizier mich da, wenn ich das sage. Ich hab da 2003 ein Praktikum gemacht.“ Er spult die Konzentration noch mal ran, plaudert unverdingst und clever. „Sexualopportunist.“ Einiges trifft, aber nicht ins Herz. Wo’s auch nicht hingehört.
Ist als letztes Christian Lorenz Müller dran, klickkickt Dialektjubel, liest einen Klangtext, nein, ein Klangfest, aber ich bin zu müde für dieses Party. „Entasten“, nicht tasten. Inger-Maria räkelt sich, reibt ihren Nacken, mal mit einem, mal mit beiden Armen. Sie ist auf einem Karusselpferd, das sich während der Fahrt bewegt. Anspannung. Hüa. Wir reiten heim, nach einer vierstündigen Gesprächsunterbrechung. So ungefähr und mehr.
*Maggie Gyllenhaal. Das war’s. Und AUTSCH, im Flyer ist sie falsch geschrieben. Alter Leier, altes Leid.
**Spät gefunden: Auch Vanessa F. Fogel im Flyer falsch geschrieben. Zu peinlich.