27.2.

Eigentlich liegt mir etwas auf der Zungenspitze, zu #vonhier und der Frage: Wo kommst du eigentlich her, nein, wo kommst du wirklich her, also, wo kommen deine Eltern her, deine Großeltern usw?

Das, was ich sagen will, liegt mir tatsächlich nicht auf der Zungenspitze sondern tief im Rachen. Ich bekomme das r nicht richtig hin. Ich bekomme es zu RRRichtig hin.

„Wo kommst du eigentlich her?“ ist eine rassistische Frage, das ist keine Neuigkeit. Dass diese Frage sich präzise übersetzen lässt in: „Warum bist du nicht weiß?“, war schon vor #schauhin bekannt, ich bin nicht die erste, die das sagt, oder die letzte, aber ich will es laut aus einer anderen Richtung werfen.

Weil ich das nicht gefragt werde.

Natürlich sagen Leute, sie stellen diese Frage nur wegen ihres genuinen Interesses. Weil sie Menschen fragen, im bestgemeintestem Sinn, von denen sie glauben, die hätten was Interessantes zu erzählen über das Wokommstdueigentlichher. Da auch bestgemeint bekanntlich nicht das Beste ist: zu glauben, man könne jemandem Migration oder Migrationsgeschiche an der Haut(farbe) ablesen, ist als Rassismus so basic und 101, ich staune, wie man das nicht checkt.

Also, hier von mir. Ich werde das nicht gefragt. Weil ich weiß bin. Ich könnte was zu der Frage erzählen, weil ich einen Migrationshintergrund habe. Aber ich befriedige mit meiner Antwort keinen Voyeurismus, sie hilft nicht, mich eine Schublade einzuordnen, die lautet: „Aah, SO sieht jemand aus di_er aus Land xy kommt“. Als ich geboren wurde, war das Land, aus dem meine Cis-Mutter nach Deutschland immigrierte noch kein EU-Land. Die Geschichte, wie sie kam, hat mit Arbeitsmigration zu tun, mit Asyl, mit anderem.

Das, was mir die Zunge verdreht, ist Assimilation. Ich bin ihr Produkt. Ein gelungenes Produkt, vielleicht. Von den Haaren bis zu den Fußsohlen, vom Namen bis zur Aussprache. Es sind brüchige Stücke, die ich wiedergeben kann von einem Teil meiner Familiengeschichte; wie meine Oma Deutsch gelernt habe von jugoslawischen Kolleginnen in einer süddeutschen Fernseherfabrik und mein Opa aus Pornoheften. Wie ich lange dachte, Stuttgart sei eine Stadt in Rumänien, weil mir die Autofahrt dahin lang genug vorkam, weil Mama und Oma sich fast nur auf Rumänisch unterhielten (von den für mich ebenfalls nicht verständlichen eingestreuten deutschen Bürokratieworten mal abgesehen), die schwäbisch schwätzenden Brezelverkäuferinnen habe ich nicht hinterfragt. Wie Mama zusammenzuckte (to cringe wäre das passendere Verb), wenn jemand ihren Akzent erkannte, oft ein Arzt oder eine Ärztin, und mit ihr das Gespräch auf Rumänisch fortsetzte, obwohl ihr das nicht Recht war. Ich kann ihren Akzent erst seit wenigen Jahren überhaupt hören, erkennen.

Mama hat ihren rumänischen Nachnamen mit der Eheschließung abgegeben. Ein Name, der auf dem Weg nach Deutschland seine eigenen Akzente abgegeben hat, so jetzt ganz anders ausgesprochen wird. Sie hing nicht dran. Ich habe den Nachnamen meiner trans Mutter Andrea bekommen; ausgerechnet einen der deutschmöglichsten Namen, ironischerweise in einer Variante, die niemand richtig schreibt, auch wenn ich buchstabiere.

Mama hätte uns Rumänisch beibringen können, aber sie wollte nicht. Manchmal habe ich das bedauert, aber ich verstehe mittlerweile das Privileg, das es in meiner Bildungsgeschichte war, unhinterfragt deutsch zu sein. Jetzt versuche ich nachzuholen die Sprache zu lernen und fühle mich wie eine Touristin in meiner Familiengeschichte. Höre Oma zu, wie sie Schuje statt Schuhe sagt, und bekomme selbst nicht das rrr an die Spitze des Gaumens für rechin, rață, drăguță. Ich verstolpere mich an ă und â. Es klingt alles so richtig in meinem Kopf, aber nicht aus meinem Mund heraus.

Ich sehe aus wie Andrea, vor allem. Mama, Oma, Opa haben alle dunkle Haare, haben einen Teint, der nicht so toastbrotig ist wie meiner. Auch hier die Ironie, dass die eine Verwandte mit roten Haaren aus dem rumänischen Teil der Familie ist. Aber oh, Körper. Es gibt einen Punkt, der für mich die wunderlichste Verkörperung dieses Assimilationsprozessses ist, über drei Generationen hinweg. Es ist ein kleiner Punkt über einem Nasenflügel. Ein weißer Punkt, ausgerechnet. An der Stelle, wo er bei mir sitzt, hat meine Oma eine braune Warze. Mama hatte eine etwas kleinere, in der Farbe ihrer Gesichtshaut, und ließ sie sich entfernen, nebenbei, bei einem Eingriff mit anderem Anlass.

Und ich? Ich habe keine, einfach so. Nur diesen weißen Punkt, und ein Paar feine Äderchen, die auf dem Nasenflügel herunter wachsen wie Wurzeln.

In der Grundschule nahmen Klassenkameradinnen mal an, ich sei Kroatin. In einer Klasse, in der Almankinder die Ausnahme waren, war der Gestus möglicherweise weniger das von sich/der Mehrheit auf andere schließende „Weil wir weiß sind, erwarten wir, dass andere auch weiß zu sein haben“ sondern eher das ebenfalls von sich auf andere schließende „Weil wir eine Migrationsgeschichte haben, haben andere sie sicher auch“. Es klang wie der Versuch zu sagen „Du bist sicher eine von uns“.

26.2.

Der runde mechanische Wecker tippert vor sich hin, mindestens sieben kleine Klicks pro Sekunde, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich so schnell zuhören, so schnell mitzählen kann.

An den meisten Tagen sitze ich abends vor diesem Textfeld und muss mit dicken Backen pusten, um zu einem Thema zu kommen, aus den Fingern saugen, so kann man es auch sagen, mit dem Mund und dann dicke Backen und Luft raus, die spuckefeuchten Finger auf die digitale Tastatur. Heute sind mir ständig Themen zugeflogen. Wie aufgeklebte Vogelsilhuetten auf Fensterscheiben, damit kein echtes Birdie dagegenknallt. Wenngleich etwas zweidimensional. Aus diesem Mischmasch drei Dinge, für die ich dankbar bin.

Eins. Das Banalste, auch etwas Banane. Wie ich unter der Dusche stehe, nachdem ich Laufen war, im Zwiegespräch mit Zweifeln, und Hof halte mit meinem Körper. Ich erinnere mich, wie ich mit etwa elf, zwölf, dreizehn mitbekommen habe, wie Desiree Nick im Fernsehen etwas über die Aussagekraft dessen sagt, wie viele Bleistifte man sich ab einem gewissen Alter unter die Brust klemmen kann, ohne, dass sie runterfallen. Damals war ich nicht die Zielgruppe, für die das relatable&funny gewesen wäre. Ich hatte eine Brust, und keine Brüste. Heute, naja, ich habe es noch nicht ausprobiert, but I can relate. Eine Hängebrust ist eine Hängebrust ist eine Hängebrust. Ich habe auch kein Interesse daran etwas zu ändern. Worüber ich dankbar bin, ist ein random Detail meines Körpers, das ein wenig wertgeschätztes Privileg ist. Meine Beine sind so fein und hell behaart, es sieht so aus, als hätte ich überhaupt keine Beinhaare. Während ich das schreibe, merke ich, wie unangenehm es ist, das auszusprechen. Auch der Anspruch an mich selbst, sollte ich mich nicht Normen widersetzen wollen? Aber es ist auch so: ein Detail weniger Arbeit, ein Detail weniger Anlass öffentlich beschämt zu werden. Es gibt genügend andere sehr sichtbare Bereiche, in denen meine Beine nicht Schönheitsnormen entsprechen, aber dieses Ding, für das ich überhaupt nichts kann, über das ich im Alltag viel weniger nachdenke als zum Beispiel über white privilege, für dieses Ding bin ich dankbar, weil es eine Sorge weniger ist.

Zwei. Und dabei wollte ich eigentlich unkomplizierter schöne Momente schildern, in denen ich etwas gesehen habe. Also zurück zum Laufengehen. Jede Woche erhöht sich in dem Podcast, den ich dabei höre, die Zeit, in der gejoggt wird und die Zeit, die man mit Gehen verbringen soll, wird weniger. Ich war letzte Woche erstaunt, wie schwer es mir gefallen ist, drei Minuten am Stück zu laufen. Aber Stückchen für Stückchen wurde das leichter. Diese Woche ging es ein Level höher, und ich war erstaunt, wie leicht es mir gefallen ist, fünf Minuten am Stück zu laufen. Einfach so. Das Schönste, die Dankbarkeit für: wie nahe ich am Fluss wohne, wie ich einfach aus dem Haus gehen kann, fünf Minuten weit, und eine Strecke zur Hand habe, auf der ich sicher und leicht hin- und her komme. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Und oh, die Kulisse. Wenn sich im Vorabendgold die Skyline vor mir auffächert, der Sonnenuntergang sich erst in den Fassaden spiegelt, und dann, wenn ich die Brücke überquere, er mir den Nacken streichelt, zur richtigen Musik. Dann weiß ich nicht, womit ich das verdient habe.

Drei. Beide Kinder sind krank, das ist eher unpraktisch. Beide Erwachsenen sind heute zuhause, das ist für diesen Anlass sehr praktisch. Zum Beispiel, um gemeinsam in die kinderäztliche Praxis zu gehen. Allein, wie dankbar ich für die Ärztinnen und Ärzte dort bin, die so kinder- und elternfreundlich alles ernst nehmen, sich Zeit nehmen. Details, — wie der Arzt das kleine Kind von beiden Seiten abgehört hat, während es an mein meiner Brust hing, wie leicht und selbstverständlich das ging. (Einen Platz in der Praxis haben wir bekommen, weil der Kinderarzt sich damals bereit erklärt hat, beim ersten Kind den Tod festzustellen, so wir es denn lebend mit nach Hause genommen hätten.) Zuhause, später, eine gleißende Nachmittagsdankbarkeit. Wie, nach dem Mittagsschlaf des kleinen Kindes im Dunkeln, der Rollladen wieder oben ist und wir zusammen im Schlafzimmer liegen, unter der Decke. Das gerade wieder eingeschlafene Glühwürmchen in meinem Arm. Im Wohnzimmer, auf dem Sofa, das große Kind und der Vater der Kinder. Um uns herum eine leuchtende Fensterhelligkeit. Und die Dankbarkeit darüber, wie gut es ist, wenn man sich auch darin aufteilen kann, mit kranken Kindern einfach nur herumzuliegen.

25.2.

Belag auf den Zähnen von Inger, Honig, Zitronensaft. Ein Feierabend, vielleicht, man weiß nie so genau, wie lange das hält, und ich habe noch ein bisschen was zu tun. Den Tag über Glück gehabt, das kleine Kind war fit genug für die Kita und ich konnte  den Besen durch das Wohnzimmer schieben. In der Sonne für mich sein. Was kochen, eine alte Postkartenkiste nicht sehr gründlich aussortieren, den gesuchten Zettel finden, wo er hingehört, nicht wo ich ihn vermutete.

Versucht, Newspaperblackout-Gedichte zu entwerfen, zu bauen, ich weiß nicht, was ist das Verb. Es ist schwer, über Worte zu stolpern, die ein Anker sein können, ohne die sehr kurzen Artikel dieses Anzeigenblättchens zu lesen. Wenn ich das mache, zeichnen die Worte, aus denen was werden könnte, die Story nach, oder verdrehen sie ins Gegenteil, aber was Neues wird nicht leicht daraus. Ich bin auch etwas nervös. Was werden könnte, wenn es gelingt. Davon will ich mehr. (Mehr Mut.)

Zähneputzen, Gesichtwaschen, Abinsbett. Mein Körper ist heute milder, aber nicht weniger müde.

24.2.

Das kleine Kind bietet einen Kuss an, ich nehme ihn. Ich biete dem kleinen Kind einen Kuss an, es tauscht gegen Spucke. Minuten später merke ich ein Kratzen im Hals. Stunden später, also jetzt, habe ich Gliederschmerzen, Husten und einen warmen Kopf. Ich weiß nicht, ob es wirklich am Kuss liegen kann oder nicht eher an den sieben Stunden, die ich in klimaanbelagten Räumen herumstand. Selbst wenn es der Kuss des Todes war, ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt möglich wäre, Ansteckung zu vermeiden, wenn man an anderen Oberflächen angesabbert wird, wenn man nicht in einen Ballon steigen kann, der vor Kontakt mit Körperflüssigkeiten schützt.

Ich nehme mein Schicksal wie es kommt, ich nehme extra Zinktabletten, ich nehme es eigentlich nur mittelernst. Morgen wird der dritte Montag mit Kind zuhause sein und ich sehe dem resigniert entgegen. Ich wollte einen Bestätigungszettel für eine formale Einladung suchen, ihn abschicken, eigentlich. Ich wollte wieder Yoga machen, weil seit gut einer Woche keine Zeit war. Wenigstens für softe fünf Minuten. Eigentlich.

Es ist was es ist; ich hoffe auf Rumliegen. Das kleine Kind, schon so gut wie auskuriert, erwartet sicher Entertainment. Das große Kind wiederum wurde angespuckt von einem Kind, das ihm viel bedeutet. Ein Schmerz, vor dem kein Ballon schützt. Ein Kummer ohne Grund, eine anlasslose Gemeinheit, vielleicht. Meine eigene Fehde mit Speichel verbleicht dagegen.

 

23.2.

Das kleine Kind hat Fieber und ich fast keinen Akku mehr. Statt zur Arbeit zu gehen, bin ich heute unter diesem Glühwürmchen liegen geblieben, bis alles um uns dunkel wurde. Auf Youtube in einem Cruiseship-Loop von Ring zu Ring gesprungen, die Parallelwelten mit ihrem leicht zugänglichen super spezifischen Expert_innenwissen. Warum bed sagen wenn man auch berth sagen kann. Warum cabin sagen, wenn man auch stateroom sagen kann.

In einem Tab habe ich ein pdf offen, das mit Ausrufezeichen nur für internal use ist, um Kund_innen bei der Buchung von Dreibettkabinen behilflich zu sein, aber ohne ihnen Bilder zu zeigen. Ich will es nicht zumachen, weil es geheim gedacht war, dabei ist der Inhalt so unspektakulär: unattraktive Zimmerfotos, auf denen man Hochbetten ausgeklappt sieht, mit dem Hinweis, dass sie den Balkon blockieren und wenn das Kissen zur offenen Kopfseite runterfällt, das auch den Ramsch auf dem Schreibtisch darunter zu Boden schubst. Urlaubspläne für den Frühsommer 2020. Dabei warte ich immer noch darauf, dass mein Gehalt das Minus auf meinem Konto wieder ausgleicht. Das ist alles etwas vermessen.

Das kleine Kind hat Fieber, in jedem Ohr eine andere Zahl. Ich hoffe dieser Nachtschlaf hilft besser als der vorherige. Ich hoffe, es gibt morgen nichts mehr zu messen, außer einer Hand auf abgekühlter Stirn; das Glühwürmchen ein frohes Frühwürmchen.

 

22.2.

Das kleine Kind hat sich erbrochen und muss von der Kindertagesstätte abgeholt werden. Die Erzieherin ruft bei mir an, ich rufe beim Mann an, der das Kind dann abholt.  Ich hänge auf der Arbeit fest, er im Musikkurs des großen Kindes, es klingt durchs Telefon, als sei er auf der Autobahn und jedes Fahrzeug von Xylophonen betrieben. Er erzählt später, dass das kleine Kind sich beim Brechen die Hand vor den Mund gehalten habe, so als wolle es nicht auf den Boden kotzen, aber ein ganzes Mittagessen war zu viel für die kleine Hand.

Ich denke manchmal darüber nach, wie ich die Kita im Alltag nenne. Es ist komisch, wie unterschiedlich Kinderladen und Kindergarten ür mich klingen. Das erste klingt viel alternativer, wilder, mehr öko, obwohl das zweite ja literally ein Garten ist. Müsste meine Assoziation zu Laden nicht auch mehr mit Kapitalismus und Konsum zu tun haben? Und dann die sublimen Unterschiede in Status: das große Kind geht in einen Kinderladen, offiziell, weil er von einem freien Träger getragen wird. Im Alltag sage ich ich ultraselten Kinderladen dazu, sondern meistens Kindergarten. Weil Kindergarten normaler klingt, und dem Wort Kinderladen eine Coolness innewohnt, der ich mich nicht zugehörig fühle. Auch so, also wollte ich mich über andere Kindergartenkindereltern erheben, wenn ich Kinderladen sage. Die Gebühren sind ungefähr gleich (vom Essensgeld mal abgesehen), daher kommt es also nicht. Es ist vielleicht eher so ein bildungsbürgerliches Habitusding, das sich komisch anfühlt, wenn ich es in den Mund nehme. (Like a fraud.) Und so alternativ ist dieser Kinderladen gar nicht, allein in Genderfragen scheint mir eine größere Awareness im Kita-Eigenbetrieb der Stadt zu herrschen.

Anders schräg, weil nicht präzise sind die Bezeichnungen der Einrichtungen für Unterdreijährige. Krippe im städtischen Bereich und Krabbelstube bei den freien Trägern. Das kleine Kind ist bei der Eingewöhnung noch rumgekrabbelt, gut, aber sonst krabbelt da niemand. Also sage ich am Besten Kita. Zu allem.

Das kleine Kind krabbelt im Halbschlaf zwischen meinen Beinen und meinen Brüsten herum. Der Fiebersaft hilft, es weint nicht mehr, aber schläft stabil wie Esspapier. Ich würde mich gerne mal rumdrehen, aber bin noch nicht bereit für die Konsequenzen.

 

21.2.

Ich weiß nicht, wie müde so müde ist, dass ich hier mal eine Pause mache, aber ich weiß, dass ich so müde bin, dass ich ins Bett gehen werde, sobald ich auf Veröffentlichen getippt habe. Mit meinem Tenissarm, den ich mir mit mindestens vier Stunden Beat-Saber-Spielen erarbeitet habe. Girl‘s night out, of sorts.

20.2.

Heute endlich das Bornheimer Wochenblatt aus dem Briefkasten gezogen. Es wird hier immer doppelt eingeworfen, das ist ein bisschen albern, aber so habe ich ein Backup für meine Newspaper Blackout-Gedichte. Bevor ich das mache, will ich noch einige von Austin Kleon abschreiben, die ich mit Eselsohren markiert habe. Es sind sehr viele Eselsohren. Sie glattstreichen, kraulen vielleicht, und merken: was ich mag, sind tiny Stories, Puns, Überraschungen, oder ein Moment.  —

 

on top / of the wheat / silos / we / See / the birds / venture / farther from their / nests / than / we / ever / have

 

Which would you rather / be / A / Kill / something ninja / with a family / yr / destined to avenge / or / the ninjas / trusty chauffeur. / who is / quiet, hard-working, / and / known to date / gets a lot / more girls?

 

WHEN the weather gets warm / her friends / cast / Christmas lights / in / letters and spell out / s o s on / the roof for / for their guests / above in / space

 

A Mother‘s / Forgiveness / is a sigh / and / a / Clean Up / After an extended silence / in / a seat near the wall.

 

they / have / beautiful / women / in / Italy, / a shock of / muses / karate-chopping / U / in / the gut

 

9 a.a. they are at his door. / with papers — / “There must be some misunderstanding,” / He has lived here for six years, peacably and happily. / he has a / job / “It‘s not fair,” / the / song and dance / leave town. They say / go live in / a train / station / or peddle fruitcakes / Because / a / house / is / not a home

 

After spending $5 / at / a / sidewalk / sale / / i / lie to / a homeless woman, / over / change for / the / bus

 

on / the / 7th day / He was / feeling fine / and / in control / he had no trouble summoning power when he needed it / and / the mood / among cast and crew / was comfortably balanced

 

Take a holiday, / go on strike / decide / not / to wear / pants. / Only now, does the flowering begin. / threaten the Economists / with / the unimaginable

 

The / Fields / are ripe / we are on our way to / a wedding / stares / greet us / as invaders / of the / mid West

 

to / veto / the origins of pain / we must / on / occasion / have / some doubts about / the wisdom of / the chemicals / in / us

19.2.

Heute mit den Kindern das erste Mal in der Eissporthalle gewesen. Das Kleine ist noch zu klein dafür, es will lieber mit Straßenschuhen aufs Eis statt mit Gleitschlittschuhen, es findet einiges unheimlich und sieht stattdessen vom Beckenrand zu. Das Große tapst mit Leichtigkeit voran. Heiter, nicht elegant. Es fällt und lacht und fällt und lacht und fällt. Tut aber nicht weh, gleich wieder hoch. Ich muss mich in der ersten Runde noch am Geländer festhalten.

Als wir die Treppe zu den Spinden runterlaufen, auch hier die Hand am Geländer, überfährt mich die Erinnerung. Der Boden aus schwarzem Gummi mit Noppen, eigentlich ein düsterkäsiger Schlund, der Weg nach unten. Hier war ich vor allem als Preteen. Ausflüge ohne Eltern, Verantwortungen üben und hart am Scheitern vorbeischrammen. Habe meinen Spindschlüssel verloren oder oft genug geglaubt, er sei weg. Die Angst, was passiert, wenn er wirklich nicht mehr zu finden wäre, die Bauchschmerzen. Die Unberechenbarkeit von Erwachsenen mit Autorität. Die Fragilität von neuen Freund_innenschaften, wenn man sich draufschmeißt. Habe keinen Lichtbildausweis dabei gehabt, um Schlittschuhe zu leihen, aber immerhin gelernt, was ein Lichtbild ist. Mit einer Schulfreundin und ihrer Mutter nach dem Eislaufen heimgefahren, ohne Ticket, weil sie annahmen, ich hätte eine Monatskarte und ich Angst hatte, dass wenn ich verneine, ich alleine heimlaufen muss. Zwischen den Spinden Schneepfützen auf dem Boden, alles so voll, zwischen cooleren Jugendlichen zur Eisfläche durchstakeln müssen. Mit jemandem verabreden und er kommt nicht, ich meine, kein Handy und das Internet sind AOL-Probe-CDs. Mir auf der Eisbahn von einem Jungen erklären lassen, was Abseits ist, weil ich denke, das macht man so. Vielleicht habe ich das auch als Flirttipp in einer Mädchenzeitschrift gelesen. Hat nicht funktioniert, hätte mir auch nicht egaler sein können; sowohl die Regel als auch der Typ. Pommes zwischendurch, wenn das Geld gereicht hat, mir nicht aus der Tasche gefallen ist. Und wo ist eigentlich mein Spindschlüssel?

Schlittschuhlaufen war immer schön, aber die Logistik und Navigation ein Durcheinander. Ich hatte keinen Überblick, weder über die Räume noch über die (geringe) Tragweite meiner Fehler. Jetzt bin ich erwachsen und alle Räume sehen so klein aus. Jetzt bin ich erwachsen, aber ich traue mich nicht mehr, hinzufallen. Es ist ganz normal dass man hinfällt, sage ich zum großen Kind, da sind wir noch zu Hause. Es fällt aufs Eis und lacht und steht wieder auf und fällt beim Versuch aufzustehen. Als es sieht, wie übervorsichtig ich fahre, wieviel Schiss ich habe, sagte es: „Aber Mama, es ist doch ganz normal, das man hinfällt, hast du selbst gesagt. Du musst dich nur trauen“. Und es hat Recht. Die Angst vor dem ersten Sturz ist schlimmer als der Sturz selbst. Wir drehen draußen eine große Runde, reden übers Fallen, ich fange mit der Hand ab, wenn es schlingert und mache mir jedesmal ins Hemd. Als es selbst mal wieder abrutscht, lasse ich mich los und falle mit. Mein Strumpfhosenknie klebt am Eis. Dann komme ich nicht mehr hoch. Kann dem Kind aufhelfen, vom Boden aus, aber mich nicht am Kind festhalten, ziehe es nur wieder zu mir runter. Da liegen wir wie zwei umgedrehte Käfer. Bis jemand vorbeifährt, ich meine Hand ausstrecke und um Hilfe bitte. Die Angst vorm zweiten Sturz ist weniger schlimm als der Sturz selbst. Aber auch das ist pipikaka in the grand scheme of things.

18.2.

Ohne Zeit mit Stift und Papier, mit Kalendern und Plänen, und alles gleitet durchs Gitter. Ich vergesse einunddieselbe Sache dreimal hintereinander. Zum Beispiel, dass die Kinder heute und morgen nicht in die Kita gehen. Es steht schon seit Wochen an der Wohnungstür, innen, aber die lese ich nicht so genau. Wir Erwachsenen machen am Abend vorher Pläne, er weiß natürlich Bescheid, ist ein Mental Load-Schwergewicht. Ich lasse mich überraschen, oh stimmt, da war was. Ich hab das einfach vergessen und derweil schon andere Pläne gemacht, die ich wieder absagen muss. Später abends erzähle ich, wann ich den Boden fegen will, da denke ich: „morgen, wenn die Kinder nicht da sind“. Schon wieder vergessen. Morgens, als er mir einen Kaffee ans Bett bringt, um Viertel vor Neun, schon mit Rucksack und Jacke, die Kinder mit dem Fernsehen im Wohnzimmer, denke ich in seine Richtung: wenn du sie jetzt in die Kita mitnimmst, kommst du zu spät zu deinem Termin. Und das dritte Mal vergessen, dass sie heute daheim bleiben.

Dabei habe ich mich nach dem Wochenende so darauf  gefreut wieder Zeit alleine zu haben. Morgens ein paar Routinen abhaken, und dann Kram erledigen. Aufräumen, für einen Clean Slate, eine Arbeitsgrundlage für die Woche. An den Tisch setzen. Pläne machen, mit Stift und Papier. Termine in den Kalender, damit ich sie nicht so vergesse wie diese beiden Konzeptionstage. Die ich vielleicht auch nur verdrängt habe.

Ich taumele durch den Vormittag. Denke, wenn ich Zeit alleine gehabt hätte, würde ich nicht so taumeln, wenn ich keine Zeit alleine habe. Als er aus seinem Termin wiederkommt und die Kinder auf den Spielplatz und zum Einkaufen mitnimmt, habe ich die Möglichkeit auf Reset zu drücken. Amseln zwitschern, die Sonne lädt ein – oder eher aus. Ich aber bleibe drinnen und es ist das Schönste der Welt. Muss nicht unterhalten. Muss mir nicht den Schlafsand mit Kaffee auswaschen. Für mich alleine brauche ich nicht so viel Energie. Ein Luxus, so.