19.2.

Heute mit den Kindern das erste Mal in der Eissporthalle gewesen. Das Kleine ist noch zu klein dafür, es will lieber mit Straßenschuhen aufs Eis statt mit Gleitschlittschuhen, es findet einiges unheimlich und sieht stattdessen vom Beckenrand zu. Das Große tapst mit Leichtigkeit voran. Heiter, nicht elegant. Es fällt und lacht und fällt und lacht und fällt. Tut aber nicht weh, gleich wieder hoch. Ich muss mich in der ersten Runde noch am Geländer festhalten.

Als wir die Treppe zu den Spinden runterlaufen, auch hier die Hand am Geländer, überfährt mich die Erinnerung. Der Boden aus schwarzem Gummi mit Noppen, eigentlich ein düsterkäsiger Schlund, der Weg nach unten. Hier war ich vor allem als Preteen. Ausflüge ohne Eltern, Verantwortungen üben und hart am Scheitern vorbeischrammen. Habe meinen Spindschlüssel verloren oder oft genug geglaubt, er sei weg. Die Angst, was passiert, wenn er wirklich nicht mehr zu finden wäre, die Bauchschmerzen. Die Unberechenbarkeit von Erwachsenen mit Autorität. Die Fragilität von neuen Freund_innenschaften, wenn man sich draufschmeißt. Habe keinen Lichtbildausweis dabei gehabt, um Schlittschuhe zu leihen, aber immerhin gelernt, was ein Lichtbild ist. Mit einer Schulfreundin und ihrer Mutter nach dem Eislaufen heimgefahren, ohne Ticket, weil sie annahmen, ich hätte eine Monatskarte und ich Angst hatte, dass wenn ich verneine, ich alleine heimlaufen muss. Zwischen den Spinden Schneepfützen auf dem Boden, alles so voll, zwischen cooleren Jugendlichen zur Eisfläche durchstakeln müssen. Mit jemandem verabreden und er kommt nicht, ich meine, kein Handy und das Internet sind AOL-Probe-CDs. Mir auf der Eisbahn von einem Jungen erklären lassen, was Abseits ist, weil ich denke, das macht man so. Vielleicht habe ich das auch als Flirttipp in einer Mädchenzeitschrift gelesen. Hat nicht funktioniert, hätte mir auch nicht egaler sein können; sowohl die Regel als auch der Typ. Pommes zwischendurch, wenn das Geld gereicht hat, mir nicht aus der Tasche gefallen ist. Und wo ist eigentlich mein Spindschlüssel?

Schlittschuhlaufen war immer schön, aber die Logistik und Navigation ein Durcheinander. Ich hatte keinen Überblick, weder über die Räume noch über die (geringe) Tragweite meiner Fehler. Jetzt bin ich erwachsen und alle Räume sehen so klein aus. Jetzt bin ich erwachsen, aber ich traue mich nicht mehr, hinzufallen. Es ist ganz normal dass man hinfällt, sage ich zum großen Kind, da sind wir noch zu Hause. Es fällt aufs Eis und lacht und steht wieder auf und fällt beim Versuch aufzustehen. Als es sieht, wie übervorsichtig ich fahre, wieviel Schiss ich habe, sagte es: „Aber Mama, es ist doch ganz normal, das man hinfällt, hast du selbst gesagt. Du musst dich nur trauen“. Und es hat Recht. Die Angst vor dem ersten Sturz ist schlimmer als der Sturz selbst. Wir drehen draußen eine große Runde, reden übers Fallen, ich fange mit der Hand ab, wenn es schlingert und mache mir jedesmal ins Hemd. Als es selbst mal wieder abrutscht, lasse ich mich los und falle mit. Mein Strumpfhosenknie klebt am Eis. Dann komme ich nicht mehr hoch. Kann dem Kind aufhelfen, vom Boden aus, aber mich nicht am Kind festhalten, ziehe es nur wieder zu mir runter. Da liegen wir wie zwei umgedrehte Käfer. Bis jemand vorbeifährt, ich meine Hand ausstrecke und um Hilfe bitte. Die Angst vorm zweiten Sturz ist weniger schlimm als der Sturz selbst. Aber auch das ist pipikaka in the grand scheme of things.

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