This day has it all. In die Decke kreischen und heulen, weil ich ein Papiertaschentuch nicht aus der Packung bekomme, das ich brauche, um mir die Heulnase zu schneuzen, die ich habe, weil mein Körper überall so juckt und fitzelt. In der S-Bahn-Station nicht die Arme einziehen, als jemand mit Tasche voll im Weg steht, sondern mit Absicht dagegenrempeln. Righteous anger, es ist 7.40 Uhr und ich bin nach dreieinhalb Stunden Schlaf auf dem Weg zur städtischen Pietät. Don’t fuck with me, seriously. Und macht mir besser einen Sitzplatz frei, sonst guck ich passiv-agressiv durch die Bahn und geb euch die gleiche schlechte Laune. (Effektivität = 0. Sollte mehr starren.)
Sitze dem Sachbearbeiter gegenüber und lasse mich ein wenig davon amüsieren, dass er klingt, wie der Saarbrückentatortpathologe, während er die Mindestkosten einer Säuglingsbestattung auflistet. Ich sage „krass“, 1000€ sind viel Geld für ein Kind, das nur auf die Welt kommt, um in Elternarmen zu sterben. Mein Ärger wird müde, auch weil ich husten muss, ganz schlimm husten, von nix, wie Staub verschluckt, und ich erinnere mich, dass ich schon mal Aschenstaub eines Menschen verschluckt habe, aber ob mich das zum Husten brachte – Spekulation.
Wir gehen in einen Nebenraum, da sind Urnen und Särge ausgestellt. Große Särge im Regal, ich denk „ja, das ist ein Sarg“ und „soso“. Auf der Friedwaldurne sind zwei Gingkoblätter drauf, das geht klar. Schwenk rüber zu den Babysärgen. Heilige Scheiße. Ich las schon, dass andere babylost parents erstaunt waren, wie klein diese Särge sind, ich weiß, dass so ein Sarg klein ist, und erschrecke trotzdem. Pappschachteln, 50 und 60 Zentimeter groß, in rauem Pappton oder glänzendem Weiß. Ich sage „Alter, ist das bizarr!“, der Sachbearbeiter bietet eine Pause an, ich stelle die Fragen, die ich habe, will aber viel lieber lauter zynische Kommentare raushauen. (190€ für die Überführung, denn Tote dürfen nur von Bestatter_innen transportiert werden und die sind in der Regel zu zweit. Besser so, nicht, dass sie sich an dem Sarg noch verheben. Ha. ha.) Während wir Details und Vorgehensweise zu Einäscherung und Beisetzung erklärt bekommen, flattern Füßchen an meinem Becken rum.
Heimweg, die Freude über ein richtig gutes Brötchen, ein Brötchen, das gut ist, weil das Brotmaterial daran gut ist. Diese erstaunliche Anstrengung beim Gehen und Stehen, jetzt tun nicht mehr die Füße weh, es zieht im Rücken und drückt auf die Scheide. Wollekauf in einem richtigen Wolleladen, ich trage eine weiche 25g-Kugel Pistazieneis heim, daraus will ich keimende Sprossen stricken. Daheim vergleiche ich die Pietätskostenberechnung einer meiner Mütter mit meiner Erinnerung vom Vormittag (war billiger damals), bin bitter, aber fühle mich okay damit. The sadz suck, being bitter is better. Auf der Friedwald-Internetseite will ich schauen, wie das mit den Sternschnuppenbäumen funktioniert und muss da doch weinen. Dann lese ich, dass die Urnen biologisch abbaubar sind, denke „cool!“ und bin so beeindruckt, dass ich dem Material Arboform Fist Bumps geben möchte. Mir ist warm und leicht, ich bin distanziert und empört, ich lache über das hier, lache sogar über so flache Youtube-Kommentare wie „Thom Bjork“, freue mich an dieser Sendung, mit Klatschen und offenem Mund, will was kaputtmachen und schimpfen, bin untendrunter kribbelmüde. Alles so nah beieinander; ich staune sehr darüber, wie viel feines Gefühl in eine Grundhaltung von Bitterkeit und Verärgerung eingefädelt ist.
ich hab keine worte, aber ganz viele herzen und umamrungen für dich, und wenn du irgendwas brauchst, meld dich, ja?
ach. was sagen fremde fremden? es tut mir in meinem fremden herzen weh. und worte reichen ohnehin nicht. liebe grüße.
Den Text drei Mal gelesen. Weggeklickt, wieder auf die Seite zurückgekommen. Nochmal gelesen. Ich kann Dir genau sagen, welche Sätze schon einzeln reichen, mir die Füße wegzuziehen, aber mir fällt nichts ein, was man Dir sagen könnte. Außer was Ella sagt. Oder einfach einen sprachlosen Punkt hersetzen. (Und meinen Arm von vorhin, den kannst Du die nächste Zeit behalten, zum Reinbeißen, Wegschubsen, Rotz abwischen, Reinschmiegen, was auch immer.)
<3
yes, heute ist genau dieser tag. Aber nicht nur bei dir…von der abgesprungenen Fahrradkette über „ach-mach-das-nochmal-alles-neu-komplett-bis-sofort-“ im büro bis zu im regen mit kaputtem schirm…dieser tag hat/hatte ALLES. aber es wird besser. sicher. ganz sicher. oder schlechter. und dann denkt man rückblickend, dass es gestern (also heute) ja doch noch garnicht so schlimm war und rückblickend war der tag dann ganz okay. mehr okay, als meine Logik hoffentlich. ..pardon. mieser Tag, auch hier.
ich nehm alles zurück, bitte lösch meinen kommentar, ich hab nebenbei noch nen anderen blog quer gelesen und kam durcheinander. oh holy shit, meine sorgen sind jämmerlich. ich entschuldige mich aufrichtig.
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Ich hab’s gelesen.
Ihr Lieben, dankeschön.
Und immerabgelenkt, keine Sorge. Mein Tag war am Ende insgesamt echt okay, habe viel gelacht. Und halte andere Sorgen und Ärgernisse nicht für weniger legitim oder weniger sorgenerregend und ärgerlich.
(Ich finde ganz zauberhaft, dass du immerabgelenkt heißt und durcheinander kamst.)
ich habe letzte nacht davon geträumt, dir – unbekannterweise, sowohl echt als auch im traum – eine e-mail zu schreiben, weil ich (im traum) von dir und deiner tochter geträumt hatte. & ich seh das jetzt mal als anlass aus der anonymen betroffenheit rauszusteigen und dir viel kraft zu wünschen. (was ich im traum noch dazu schreiben wollte und in realität auch so meine, ist, dass ich prinzipiell sehr gerne deine wortansammlungen lese, weil du sie so fein zusammenlegst.) alles liebe!