Heute ist Schulanfang. Ein neues erstes Semester. Der Ranzen ist gepackt, die Schultüte fehlt noch.
Nach vier Jahren Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus ohne Abschluss probiere ich was neu. Das waren drei Jahre in Hildesheim, danach ein Jahr Reproduktionsfähigkeiten meines Körpers ausprobieren Pause in Frankfurt. Hier fang ich heute mit American Studies und Soziologie an und bin sehr aufgeregt.
Hildesheim war ein kleiner Schreibkreis, war hipsterige Provinz, war freundlich und prätenziös, ein Probierfeld mit Schafen auf dem Weg in die Seminare. Ich habe einige Scheine gemacht und viele Seminare besucht, ohne die erforderliche Leistung zu erbringen oder zu beweisen, dass ich die erforderliche Leistung erbracht habe und die Unterschrift dafür abzuholen. Hab ein paar gute Noten bekommen und mich meistens nicht in Situationen getraut, in denen es Noten hätte geben können. Hatte oft ein Gefühl von „Ey Uni, wie gehtn des?“ aus dem „Hmpff, lieber nich“ wurde.
Aber nicht nix geschafft: Ich habe bei Büchern und Fahrten mitgemacht, wollte von Anfang an mit allen befreundet und Teil von allen tollen Projekten und in Gremien sein. Wollte gesehen und liebgehabt werden (don’t ask), war selbst voller Liebhaben. Wollte in einer richtig studentischen WG wohnen, in einem Altbau mit einer Küche, in der man frühstücken und über Texte reden kann. Wollte angenommen sein und Sachen nicht für den Credit sondern für die Sache machen. Wollte das Studium und den Ort dazu komplett aufessen. Ich war ehrgeizig und herzlich, gab mir Mühe inklusiv zu sein und mich auszukennen, wurde ängstlich und gleichgültig, ließ jedes Ding aus der Hand fallen und hobs nicht wieder auf.
What now?
Nach einem Jahr drinnen sitzen, nach fast nur schriftlich kommunizieren die Orientierungswoche geschafft. Frankfurt ist eine supersaubere Riesenuni, historisch, irgendwie noch links (whatever that means), anonym, vor der Tür und ständig stolpere ich über Leute aus der Schule. Eine Stadt neubegreifen, in der ich aufgewachsen bin. Einen Campus ertasten, auf dem mein Abiball stattfand. Richtig lernen, was ich im Netz antaste.
Am allerallerallerliebsten wollte ich eigentlich Gender Studies studieren. Das wollte ich schon, als ich in Schweden zur Schule ging; da hieß das Genusvetenskap und ich nahm an, dass es das in Deutschland gar nicht geben könne. Hatte im ersten Semester in Hildesheim so eine Lust auf Gesellschaftswissenschaften, dass ich bei den angehenden Lehrer_innen Seminare belegte. So richtig gibt es Gender Studies aber weder in Frankfurt, noch im Rhein-Main Gebiet und in ganz Hessen nicht. Bielefeld, Freiburg, Göttingen, natürlich Berlin (shakes fist!). Alles so weit weg, denn ich wohn hier jetzt für länger. Also Soziologie, das ist nah dran. Und American Studies, weil ich so viele kluge und empathische feministische Leute aus den USA lese, ich mir mehr Kontext zu den Widersprüchen und Hoffnungen in ihrem Leben wünsche. Und wie nix ein Auslandssemester dahin. (Ich bin mir nur nicht sicher, ob ich die Hauptfach-Nebenfach-Folge richtig gewählt habe.)
Aber wie geht denn das jetzt mit dem Studieren? Also so, dass man fertig wird & mutig bleibt, dass die Hände es tragen können und nicht loslassen? Wie geht das mit Kind? Was mehr ist als die Frage, wo man es bei Uni-Veranstaltungen lassen kann; das Kind geht nicht weg, wenn man sitzt, liest, lernt, das Kind will was, wenn es nicht schläft. Wie kann das werden? Wie wird es leichter? Und wie geht es, wenn man so schüchtern ist, dass es eine_n aufisst und die Menschen viele sind? Wie geht das, wieder Teil des öffentlichen Lebens sein, einen festgelegten Tagesrhythmus haben? Wie nicht Angst haben?
Ich hab Schiss und Wünsche und freu mich. Will lernen, will offen sein und sehen. Will mutig sein und klug werden. Wünsch mir Euphorie und Lust und auch ein bisschen Fleiß. Will mich ins Studieren reinlieben können und dass es mir egal ist, ob ich zurückgeliebt werde. Und wünsch mir Anke Gröner als Patronus für mein Studium.
Was habt ihr an Rat? Was würdet ihr anders machen, im Nachhinein oder so währenddessen? Was würdet ihr überhaupt machen? Und wie ist euch euer Studium gelungen? Will Hinweise, wie es besser geht, sie in meine Schultüte füllen und es dann versuchen.
Hui, Uni! (Hurra!)
Alles Gute für den Neuanfang, wieder einer!
Rat? Aufgeregt bleiben, dabei gelassen werden. Neugierig bleiben. Weiterhin über den Tellerrand gucken und trotz Credits und Verschulung auch mal einfach was nach Neigung und Lust und ohne Punkte besuchen. Reinstürzen. Tragen lassen. Ab und zu Zähne zusammenbeißen. Und auch Dinge abgeben, die man selbst nicht so toll findet. Und sich „es ist nur ein Schein“ sagen. Kritisch bleiben, aber nicht verzweifeln. Die anderen kochen auch nur mit Wasser. Das Kind nicht vorschieben, aber offensiv sein und daran glauben, dass Studentinnen mit Kindern oft besser strukturiert sind und darum auch sehr leistungsfähig. Und wenn mal nicht, weil die Augenringe so tief und der Sandkastentag wichtiger, dann wieder trotzdem einfach Dinge abgeben, auch wenn sie unfertig sind. Oder einem so vorkommen. Die Stunden, in denen man Bagger fahren lässt oder mit dem Kind Kuchen backt, nicht als „eigentlich müsste ich“ begreifen, sondern als schöne Auszeit und Lebensqualität. Vertrauen.
Und noch etwas: Kurskorrekturen (Hauptfach/Nebenfach z.B.) kann man auch unterwegs noch vornehmen, ohne darum gleich über Bord zu gehen.
Liebe Nicole, auch ich wünsch Dir alles Gute für den Neuanfang.
Und Tipps: Ich habe nur den einen. Such dir eine Lehrerin, der du Autorität verleihst. Mein zweites Studium (nach einem ersten Magister-Abschluss mit 24; das war 1989) hat sich nur deswegen gelohnt, weil ich diese Beziehung aufbauen konnte zu einer anderen Frau, von der ich mich für eine Weile leiten ließ. Ich habe darüber und auch über die Erfahrung, als Mutter zu studieren, vor längerer Zeit in meinem Blog geschrieben (in einer Reihe über die italienische Philosophinnen-Gruppe Diotima). http://gleisbauarbeiten.blogspot.de/2012/08/diotima-2-ohne-macht-autoritar.html
(PS. Das Leben mit einem Kind, so habe ich es empfunden, rückt die Theorien „zurecht“, die sich an diesem Leben messen lassen müssen, nicht umgekehrt. Und das ist gut und hilfreich, mehr Entlastung als Belastung.)
Erstmal auch mir alles Gute für den Neustart!
Meine Erfahrung ist, dass Machen Weitermachen, Wirken das Wichtigste sind. Wenn man müde wird, ist es gut, Pause zu machen und keine Grenzen zu überschreiten. Dann macht man nur Fehler und das ist ärgerlich und frisst ganz viel Zeit. Aber nach der Pause muss man auch wieder in die Gänge kommen und schauen, dass jeder Tag auch ein Ergebnis bringt.
Ach, sorry!, ich meinte: Auch von mir alles Gute! Na, mein Tippfehler passt ja ganz hervorragend zu dem restlichen Teil meines Kommentars.
Liebe Nicole, ich bin trotzdem ich meinen Gründerzeit-Backstein-Traum-Campus sehr liebe schone ein wenig neidisch, dass du dich jetzt im Westend bildest.
Gerade in Zeiten wo ich vor lauter beknacktem Auswendiglernen nicht mehr weis warum ich das alles überhaupt mache, helfen mir meine Freunde und Kommilitonen. Zum einen kann man sich mit Leuten mit denen man im selben Boot sitz wunderbar den Frust von der Seele reden und wenn man weiß, die anderen haben die gleichen viel zu vielen Fakten zu lernen ist man nicht mehr so allein mit seiner Überforderung. Außerdem ist es ungemein hilfreich, wenn man sich gegenseitig unterstützen kann sich im Dickicht der Seminare, Einschreibefristen und Klausurtermine zurechtzufinden. Und wenn man zu einer blöden Pflichtveranstaltung gehen muss kann man sich darauf freuen liebe Menschen zu treffen.
hui, soziologie-highfive, wenn du magst n_n
tipps oder hinweise kann ich nicht so richtig geben, ich bin zum ersten mal ersti und hm. bislang fühle ich mich okay, das ist schonmal gut. in vorlesungen werden interessante dinge gesagt und dass die 150 menschen im studiengang mir etwas angst machten und ich auf keine einzige ersti-aktion mitging ist gar nicht schlimm, weil ich eine super tolle wg und wg-befreundete menschen hab. überhaupt, diese neuen menschen: so lieb+toll, fast alle schon deutlich weiter im studium und ein großer teil soziologiestudent_innen. die wissen dann sachen, schauen mal mit auf den stundenplan, geben tipps, nehmen an die hand und das macht mich sehr viel weniger ängstlich. (wie große geschwister, was schön ist, weil ich keine (großen) habe.)
»wie geht es, wenn man so schüchtern ist, dass es eine_n aufisst und die Menschen viele sind? Wie geht das, wieder Teil des öffentlichen Lebens sein, einen festgelegten Tagesrhythmus haben? Wie nicht Angst haben?«
<3
Wenn dich die Themen, die du studierst wirklich interessieren (was sie augenscheinlich tun) und du sie nicht aus reinem Pflichtbewusstsein studierst, wirst du automatisch selbstbewusst und mutig deinen Weg gehen können Nicht von kleinen Misserfolgen verunsichern lassen, an dich glauben, du schaffst das schon..
Vielleicht ist das etwas für Dich?:
http://www.cgc.uni-frankfurt.de/cgc-studienprogramm.shtml
Man kann nämlich in Frankfurt über das Cornelia Goethe Centrum studienbegleitend ein Zertifikat in Gender Studies machen … Ich kenne es allerdings nicht aus Studi-Sicht, sondern nur weil ich öfters Seminare zur Mädchenliteratur unterrichte, die im Rahmen dieses Programms auch gewählt werden können.
Alles Gute!