Bevor das kleine Kind auf die Welt kam, habe ich versucht, dem großen Kind realistisch zu erzählen, wie Säuglinge sind. Was sie machen, und was nicht. Was sie können, was sie lernen. Um die Kompetenzen des noch nicht geborenen Babys hervorzuheben, habe ich vom Greifreflex erzählt. Auch ein bisschen wie ein Zaubertrick, den ich dem großen Kind versprochen habe, mit dem ich es verblüffen wollte. Du musst ihm nur deinen Finger geben, und es greift zu. It‘s magic.
Kurz nachdem das kleine Kind geboren war, traute sich das große Kind wieder ins Wohnzimmer. Es guckte zu, neugierig-distanziert, die Hebammen erklärten die Planzenta, das kleine Kind wanderte von meinem Arm in den meines Partners. Und ich erinnerte mich an den Partytrick, gab dem großen Kind den Tipp, das auszuprobieren. Es hielt dem Baby einen Finger hin. Und das Baby? Ließ die eigenen Finger nur labberig darauf ruhen. Ich hielt dem Baby selbst einen Finger hin. Es griff nicht zu. Die kleine Hand hing nur rum, wie bei einem fischigen Handshake.
Es hätte mir gut gefallen, wenn das geklappt hätte. Nicht nur, weil ich in Sachen Spezialeffekte eine Ehre zu verteidigen hatte. Auch für die Bindung hatte ich mir mehr erhofft. Nach der Geburt kein selbstverständliches Gefühl von Liebe, nur Erschöpfung über die Anstrengung. Wenn es mich nun also festgehalten hätte, als ließe es mich nicht mehr los. Wenn ich hätte sehen können, wie die beiden neuen Geschwister einander berühren, über eine Extremität hinaus. Was ich gerne gewesen wäre? Ergriffen. (Ba-dmm-tsss)
Das Baby wird in drei Monaten zwei Jahre alt. Wenn es Musik hört, muss es tanzen. Die Musik, die es sich anmacht, kommt von einem kleinen elektronischen Kinderklavier. Es weiß genau, welche Tasten es drücken muss für die Autoplay-Songs mit den besten Beats. Dann rennt es zur Tanzfläche, die der große Fleck Laminat zwischen Fernseher und Fenster ist. Rennt zurück zu mir. Greift mit der Hand meinen Finger, hält ihn so fest es kann und zieht mich auf die Tanzfläche. Es lässt mich nicht mehr los.